„Oft sind es gut genutzte Mußestunden, in welchen der Mensch das Tor zu einer neuen Welt findet.“
George M. Adams
Doch was passiert, wenn es diese sogenannten Mußestunden nicht mehr gibt, wenn der Alltag mit seinen Herausforderungen immer mehr zur Belastung wird? Wir leben in einer Gesellschaft der Selbstoptimierer, erwarten von uns herausragende Leistungen im Job, möchten gleichzeitig die perfekte Partnerin, Mutter und Freundin sein. Jede dieser Rollen möchten wir perfekt ausfüllen. Was am Ende dabei auf der Strecke bleibt, sind allzu häufig wir selbst. Und meist merken wir es nicht einmal oder erst dann, wenn wir bereits unter unseren eigenen Ansprüchen zusammengebrochen sind.
Was es bedeutet „ausgebrannt“ zu sein
Burnout heißt dann oftmals die Diagnose, welche man jedoch in der Internationalen Klassifikation Psychischer Krankheiten (ICD-10) vergeblich sucht. Eine einheitliche und offizielle wissenschaftliche Definition von Burnout gibt es nicht. Die Symptome sind häufig mit jenen einer Depression vergleichbar: Wir fühlen uns ausgebrannt, müde und erschöpft, den alltäglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Gefühle der Angst und Ohnmacht nehmen uns ein. Häufig versuchen wir unseren Schwierigkeiten zunächst mit einem gesteigerten Engagement zu begegnen. Wir glauben, uns noch mehr bemühen zu müssen, investieren zusätzliche Energie und bemerken dabei nicht, dass wir unsere Probleme damit noch verstärken. Anfangs können Erholungsphasen wie Urlaub oder Auszeiten für eine kurzzeitige Besserung sorgen. Doch je länger die Belastungen bestehen, desto geringer wird der Erholungseffekt und schnell plagen uns wieder die gleichen Symptome. Häufig macht sich der Stress vor allem auch körperlich bemerkbar. Wir leiden unter Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwindel, Verdauungsbeschwerden oder Schlaflosigkeit. Der Stress schwächt unser Immunsystem und damit steigt auch die Anfälligkeit für Infekte. Je schlechter es uns geht, desto mehr ziehen wir uns zurück – emotional und sozial. Familie, Freunde, Hobbies und Aktivitäten, die wir einst gerne verfolgt haben, werden vernachlässigt. Nichts macht mehr Freude. Einsamkeit, innere Leere und Hoffnungslosigkeit machen sich breit, ein nur allzu guter Nährboden für Suizidgedanken.
Burnout kann heutzutage jeden treffen
Da Burnout durch starken Stress ausgelöst wird, der aus eigener Kraft nicht mehr zu bewältigen scheint, kann es jeden treffen: ob Schüler, Student, Krankenschwester, Manager oder Hausfrau. Burnout zeigt sich unabhängig von Alter und Status. Doch gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die dessen Entstehung begünstigen. Perfektionismus, ein hohes Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein sowie Schwierigkeiten, sich abzugrenzen und Nein zu sagen, senken die individuelle Belastbarkeit.
Auslöser für die Erschöpfung finden und Lebenseinstellungen hinterfragen
Meist suchen sich Betroffene erst Unterstützung, wenn buchstäblich gar nichts mehr geht. Und auch dann wird als vorrangiges Ziel häufig die Wiederherstellung der eigenen Leistungsfähigkeit genannt. Vorsicht ist hier besonders bei der Einnahme von Antidepressiva geboten, die oftmals verschrieben werden. Diese wirken sich zwar positiv auf Stimmung und Schlaf aus, sorgen gleichzeitig jedoch auch für gesteigerten Antrieb und verbesserte Konzentrationsfähigkeit. Burnout Betroffenen fühlen sich so rasch wieder leistungsfähig und geraten dadurch nur allzu schnell wieder in die Falle aus hoher Stressbelastung und Überengagement, die ursprünglich Auslöser für die Erschöpfung war. Daher ist es bei Burnout Symptomen besonders wichtig, diese nicht nur zu lindern, sondern auch die Entstehungsbedingungen zu hinterfragen. Burnout Betroffene sind häufig nur noch damit beschäftigt, negative Erlebnisse und Gefühle zu vermeiden anstatt sich selbst positive Erlebnisse und Momente zu schaffen. Dem Gedanken grundsätzlich an ihrem Leben etwas zu verändern, stehen die meisten eher skeptisch gegenüber. Vielmehr steht am Anfang häufig lediglich der Wunsch, die eigene Alltagshölle besser meistern zu können. Wichtig ist daher vor allem, dass Betroffene wieder lernen, positive Ziele zu entwickeln. In einer Therapie gilt es außerdem, persönliche Auslöser für die Erschöpfung zu identifizieren und eigene Lebensmottos zu hinterfragen. Neben der Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien stellen Selbstfürsorge und die Frage danach, welchen Sinn das Burnout in der eigenen Lebenssituation haben kann, zentrale Themen dar. Wer all dies für sich zu nutzen weiß, kann aus einem Burnout gestärkt hervorgehen und ist sich selbst und seinen Lebenszielen am Ende vielleicht näher als manch anderer.
Von Yvonne Keßel
Literatur
Ferdinand Jaggi: Burnout – praxisnah. Georg Thieme Verlag Stuttgart, 2008.
Stefanie Weimer, Maureen Pöll: Burnout – ein Behandlungsmanual. Baukastenmodul für Einzeltherapie und Gruppen, Klinik und Praxis. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2012.
Kommentieren