Fernsehen – Risiken und Nebenwirkungen
Gewagter Titel, nicht wahr? Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr durch das Fernsehprogramm geprägt werden, als durch alles andere. Viele Menschen in Deutschland starten bereits morgens vor dem Frühstück mit Fernsehen in den Tag. Abends, wenn man von einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, möchte man sich nur noch ausruhen – und das geht am besten vor dem Fernseher. Erwachsene werden zwar sicherlich auch nicht wenig durch das Fernsehen beeinflusst, aber was ist mit unseren Kindern und Jugendlichen? Wie weit geht die Beeinflussung bei ihnen?
Mehr als 3,5 Stunden pro Tag
Heranwachsende ab 14 Jahren schauen im Schnitt über 210 Minuten pro Tag in die Flimmerkiste. Das sind über 3,5 Stunden Fernsehen an einem Tag. Da die Inhalte von TV-Shows und Sendungen nicht nur bewusst auf uns wirken, sondern auch unterbewusst, gehen Forscher und Psychologen von einer direkten und indirekten Beeinflussung durch Medien aus.
Fernsehen kann gefährlich werden
Besonders bei Heranwachsenden kann der Einfluss der Medien Konsequenzen haben. Teenies sind in der Zeit ihrer Pubertät einer extremen Entwicklung ausgesetzt. Mangelndes Selbstbewusstsein spielt hier eine zentrale Rolle. Mädchen und Jungen lernen ihren Körper kennen, entdecken Besonderheiten aber auch Schwachstellen. Sie vergleichen sich mit anderen. Besonders Stars sind passende Vergleichsobjekte für die Jugendlichen. Welcher Teenager hat nicht sein persönliches Idol? „So möchte ich auch aussehen“. Wer hat diesen Satz von einem Kind noch nicht gehört?
Bilder täuschen und wer im Fernsehen gut aussieht, sieht nicht automatisch im wahren Leben auch gut aus. Was Teenager nicht bedenken: Die Stars, denen sie nacheifern, sehen in echt wahrscheinlich gar nicht so toll aus. Diese Fehleinschätzung ist das fatale und gefährliche bei der Sache. Jugendliche sitzen vor dem Fernseher und gehen davon aus, dass ihnen die Realität gezeigt wird. Frauen mit straffen Körpern, langen und dünnen Beinen, glänzendem und vollem Haar. Sie stellen sich die Frage: Wieso sehe ich nicht so aus? Resultierend daraus sehen sie ihr eigenes Aussehen oft als minderwertig an.
Kann sich Fernsehen auch nachhaltig schlecht auf Kinder und Jugendliche auswirken?
Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob sich bestimmte TV-Formate auf die geistige Entwicklung und Psyche unserer Kinder und Jugendlichen auswirken können? Wir sagen: Ja! Durch Umfragen fanden wir heraus, dass Fernsehen unmittelbaren Einfluss auf die psychische Gesundheit Heranwachsender hat. Leidet ein junger Mensch beispielsweise an einer Essstörung, können bestimmte TV Formate sie begünstigen oder tragen zur Chronifizierung bei. Ob Fernsehen, und die damit verbundene Manipulation, Essstörungen gänzlich auslösen kann, sei in den Raum gestellt. Allein die Tatsache aber, dass bestimmte Formate Essstörungen begünstigen und am Leben erhalten, ist der pure Wahnsinn. Schätzen wir die Gefahr des Fernsehens richtig ein? Wie gravierend ist der Einfluss von Model-Shows und Sendungen wirklich? Wir haben zunächst mit unserer Psychologin Yvonne Keßel gesprochen und sie um eine Einschätzung gebeten.
– Wie hoch schätzen Sie den Einfluss den Medien und Sendungen (wie z.B Germanys/Americas
next Topmodel) auf unsere Jugendlichen haben ein?
Der Einfluss der Medien ist in unserer Gesellschaft sehr stark. Wir bekommen
ständig ein Bild vor Augen gehalten, wie wir zu sein haben. Menschen neigen
ohnehin stark dazu, sich mit anderen zu vergleichen. Die Medien fördern dies
natürlich. Und gerade Jugendliche orientieren sich besonders an diesen, da in
der Pubertät das Selbstbild, die Wertschätzung und Anerkennung
Gleichaltriger besonders wichtig ist. Unsere Persönlichkeit ist in dieser Zeit
noch sehr formbar. Viele Jugendliche suchen eine Orientierung und finden diese
u.a. in den Medien.
– Werden Essstörungen durch solche Formate Ihrer Meinung nach begünstigt?
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass solche Formate Essstörungen begünstigen.
In der Gesellschaft herrscht ohnehin der Druck nach einer schlanken Idealfigur.
Dieser wird durch solche Formate natürlich verstärkt. Studien zeigen außerdem,
dass besonders Models zur Risikogruppe für die Entwicklung einer Essstörung
gehören. Allerdings kann man davon ausgehen, dass solch eine Sendung alleine
nicht ausreicht, damit ein Mädchen eine Essstörung entwickelt. Gefährdet sind
v.a. Mädchen und Frauen mit einem negativen Körperbild und einem gleichzeitig
niedrigen Selbstwertgefühl und eher unsicheren zwischenmenschlichen Beziehungen.
– Viele kleine Mädchen im Kindesalter schauen die oben erwähnten Sendungen und
möchten sich mit den Models identifizieren. Stellt dies eine Gefahr dar?
Das stellt natürlich eine gewisse Gefahr dar, der aber aus meiner Sicht vor
allem die Eltern entgegenwirken können. In solchen Sendungen wird ein bestimmtes
Körperbild vermittelt, dem die allermeisten Frauen gar nicht entsprechen. Und
die Diskrepanz zwischen diesem Schlankheitsideal und den tatsächlichen
Körpermaßen der meisten Frauen nimmt immer mehr zu. Um dieses ideale
Körperbild zu erreichen, können sich Mädchen dann durchaus ungesunde
Verhaltensweisen aneignen, so dass Essstörungen begünstigt werden.
– Durch einen Insider habe ich erfahren, dass es bei besagten Model-Shows nur
stilles Wasser und Obst für die Kandidatinnen gibt. Wie wirkt sich der Zwang nur wenig
essen zu dürfen auf die Psyche aus? Können durch das antrainierte Essverhalten
während der Aufnahmen (in der Regel mehrere Tage/Wochen) gestörte
Verhaltensmuster im Bezug auf das Essen entstehen?
Nicht genügend Nahrung zu sich zu nehmen, wirkt sich auf die Psyche fatal aus.
Das Körpergleichgewicht gerät aus dem Lot. Man ist psychisch labil und schnell
reizbar. Da davon ausgegangen werden kann, dass jeder Mensch ein individuelles
Idealgewicht hat, das für den eigenen Körper gesund ist und der Körper stets
versucht, dieses aufrecht zu erhalten, ist eine radikale Gewichtsabnahme und
Änderung des Essverhaltens i.d.R. immer von Heißhungerattacken begleitet.
Der Körper versucht das Idealgewicht wieder herzustellen. Diese
Heißhungerattacken werden dann oft als Versagen erlebt („ich bin nicht
diszipliniert genug“, etc.) und die Angst vor einer Gewichtszunahme wird umso
größer, was weiterhin ein stark gezügeltes Essverhalten provoziert. Hat man
sich erst einmal ein ungesundes Essverhalten antrainiert, ist es sehr schwierig,
aus diesem Teufelskreis wieder auszusteigen. Ein niedriges Gewicht und
gleichzeitig ungesundes (extrem gezügeltes) Essverhalten führen daher schnell
zu einer chronischen Essstörung.
In unserem zweiten Teil von „Fernsehen – Risiken und Nebenwirkungen“ erfahren Sie, was Jugendliche, die an einer Essstörung leiden, über bestimmte TV-Formate denken und inwieweit Fernsehen sie und ihre Störung beeinflusst hat.
Haben Sie etwas zu diesem Thema zu sagen? Wir freuen uns auf Ihre Meinung!
Kommentieren