Sabines Gedanken: Flüchtlinge

 

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Als ich mich entschloss, etwas über das Thema Flüchtlinge zu schreiben, befand ich mich ein wenig in der Zwickmühle. Zum einen gibt es dazu im Magazin bereits einen Artikel, zum zweiten mochte ich keinen schreiben, der mit Zahlen und Hintergründen bespickt ist. Wer darüber Informationen möchte, findet diese nicht nur im Netz. Auch befürchtete ich, dass das Thema bereits von einigen Lesern als zu präsent empfunden wird. Andererseits kann es nicht ausreichend genug adressiert werden.

Warum ich heute trotzdem darüber schreibe? Ich, die nicht über politische Dinge schreiben möchte? Ganz einfach: Das Thema berührt mich. Hinter all´ diesen Zahlen stehen Menschen, stehen Schicksale, stehen teilweise dramatische Fluchterlebnisse, stehen Traumata, stehen Lebensumbrüche, stehen Dinge, die ich im Detail vermutlich nicht erzählt bekommen möchte. Darum schreibe ich heute darüber. Weil es mich berührt, mich manchmal hilflos fühlen lässt.

Machen wir uns bewusst, was diese Menschen durchmachen mussten?

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Es tut mir in der Seele weh, wenn ich die Zeltlager sehe, die nun zur Erstaufnahme der Flüchtlinge dienen. Keinen Raum für Privatsphäre bietend. Oder wie in Duisburg ohne fließendes Wasser. Ich kann mit meinem Verstand nicht nachvollziehen, dass ein reiches Land wie Deutschland nicht in der Lage ist, den Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Es ist doch keine Entwicklung gewesen, die sich innerhalb weniger Stunden abzeichnete! In den 90er Jahren gab es ebenfalls viele Asylsuchende. Hat man aus diesen Erfahrungen nicht gelernt. Oder verdrängt??

Genauso wenig erschließt sich mir das Verhalten einiger Mitmenschen. Ich kann ängstliche Menschen verstehen, die Angst vor der dem Unbekannten haben. Die das Fremde nicht kennen, die sich überrollt fühlen, die befürchten, dass ihr Eigenheim im Wert sinkt. Solche Ängste darf man nicht unter den Tisch kehren.


Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die Dummheit einiger Menschen. Viele Aussagen von ihnen machen mich sehr wütend. Die sagen: Ich will keine Flüchtlinge in der Nähe, die vergewaltigen doch unsere Frauen. Oder: Ich will keine Flüchtlinge in der Nähe, die verteilen doch nur Drogen und sind gefährlich für unsere Kinder. Oder: Ich will keine Flüchtlinge in der Nähe, die sind alle kriminell.

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Diese Sätze beschämen mich.

Solche Sätze sind nicht auf einen Ort bezogen, sondern sind die häufigsten Argumente gegen Flüchtlingsunterkünfte. Ortsübergreifend. Mein „Highlight“ unter den Darlegungen ist die folgende, die ich einmalig hörte, als es um die Bebauung eines Grundstückes für die Erstunterbringung von Flüchtlingen auf einem unbebauten Grundstück ging. Ein besorgter Bürger äußerte Besorgnis um die Altersversorgung eines Landwirtes, da dieser um die Unversehrtheit seines Anwesens fürchten müsse.


Ich habe enorme Schwierigkeiten mit dieser Dummheit umzugehen. Sie macht mich aggressiv und sehr wütend. Ich möchte diese Menschen schütteln, ihnen ins Gesicht brüllen. Fragen, ob sie nachdenken, bevor sie reden? Ja, es überkommt mich der Wunsch, ihnen eine Ohrfeige zu geben. In der Hoffnung, einiges wieder gerade zu rücken, damit sie beginnen sachlich nachzudenken.


Wie ich schrieb, ich kann mit Dummheit nicht umgehen. Und darunter stufe ich solche Aussagen ein. Mir ist bewusst, dass diesen Menschen mit sachlichen Argumenten nicht beizukommen ist.


Wie viele mögen es sein gemessen an der Einwohnerzahl eines Ortes, eines Bundeslandes, Deutschlands? Ich schätze diesen Teil als nicht so hoch ein. Den Teil der engagierten Bewohner, die sich in Pro Asyl Gruppen engagieren, die sich ehrenamtlich um Flüchtlinge kümmern, schätze ich viel höher ein. Zumindest, wenn ich meinen Wohnort betrachte. Sehr viel höher schätze ich den Anteil der neutralen Bewohner ein, die alles auf sich zukommen lassen. In welche Richtung sie umschwenken werden, wird zu beobachten sein.


Was ich mit meiner Wut mache?
In diesem Moment schreibe ich darüber. Was ich zusätzlich mache, ist, Bewusstsein zu schaffen, mit anderen darüber reden. Was ich mit meinen Ängsten mache? Meinen Ängsten, die sich nicht gegen Flüchtlinge richten? Die sich gegen die Dummheit richten? Die befürchten, dass die „Refugees Welcome“ Stimmung kippt? Diesen Ängsten begegne ich mit Fakten. Betrachte meinen Ort, in dem sich viele Mitbürger konstruktiv in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Bringe mir in Erinnerung, dass sich auch sehr junge Menschen engagieren. Bringe mir in Erinnerung, dass sich auch in anderen Orten sehr stark engagiert wird.


Eure Sabine

P.S: Lesetipp: Wolfgang Bauer „Über das Meer“ Mit Syrern auf der Flucht nach Europa (Eine Reportage)

One Comment

  1. Dankeschön,

    für diese auch für mich positive Position.
    Deutlich und laut die Meinung sagen.
    Bravissimo meint
    bertl

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