Wie Liebe gelingt und warum „Wolke 7“ uns doch nicht glücklich macht
Liebe – wir alle suchen sie, wir alle wünschen sie uns. Und mit ein bisschen Glück, dem Internet, Dating-Apps auf dem Smartphone oder der kuppelnden Freundin finden wir sie. Doch ist unser Glück damit besiegelt? Viele glauben, die größte Herausforderung bestehe darin, den richtigen Partner zu finden. Den einen, der uns glücklich macht und all unsere romantischen Vorstellungen von Liebe erfüllt. Unsere Erwartungen sind hoch: wir möchten ein Kribbeln im Bauch, starke romantische Gefühle und unbändige Anziehung spüren – und das bitte dauerhaft. Lernen wir jemanden kennen und die erwünschten Gefühle stellen sich nicht von Anfang an ein oder werden im Laufe einer festen Beziehung weniger, sind wir schnell enttäuscht. Offenbar haben wir den richtigen Partner noch nicht gefunden.
Einen richtigen oder falschen Partner gibt es nicht
Doch so überraschend es klingen mag: den einzig richtigen Partner gibt es nicht. Vielmehr gibt es da draußen eine Vielzahl von möglichen Partnern, mit denen wir eine erfüllende Beziehung führen können. Der Schlüssel einer glücklichen Beziehung liegt also weniger in der Wahl unseres Partners, als darin, was wir aus der Liebe machen, wenn wir sie einmal gefunden haben. Eine ernüchternde Erkenntnis für viele, denn der Glaube an die romantische Liebe und die damit verbundenen Hoffnungen sind stärker denn je wie Autor Sven Hillenkamp in seinem Buch Das Ende der Liebe beschreibt. In Filmen, Büchern und unzähligen Pop-Songs verfolgt uns die Idee der einzig wahren Liebe. Dabei ist diese eine Erfindung der Dichter und Denker des 18. Jahrhunderts. Nachdem die Ehe in früheren Zeiten vorwiegend aus pragmatischen Gründen geschlossen wurde und zur Sicherung der eigenen Existenz diente, propagieren Romantiker wie Schlegel und Schleiermacher nun die Liebesheirat. Geboren ist die Idee von der einzig wahren Liebe und dem einen Menschen, der uns glücklich machen kann. Und diese ist im 21. Jahrhundert mehr denn je in unseren Köpfen verankert.
Wir stellen zu hohe Erwartungen an die Liebe
Doch statt der Freiheit, die die romantische Liebe zu versprechen scheint, spüren wir zunehmend Druck. Wir überfordern unseren Partner und uns selbst, vergessen, dass Liebe kein Selbstläufer ist, sondern es Zeit, Mut und Energie erfordert, damit sie bleibt und wachsen kann. Der Psychologe und Autor Huub Buijssen beklagt in seinem Buch Jetzt verstehe ich Dich die allzu hohen, unerfüllbaren Erwartungen, die wir an eine Partnerschaft stellen und formuliert als Gegenmittel elf realistische Erwartungen. Dazu zählt unter anderem, dass man eine einmal eingegangene Beziehung immer wieder hinterfragen und daran zweifeln wird. Wer sich klar macht, dass dies normal ist und zu einer dauerhaften Liebesbeziehung dazugehört, wird beim ersten Zweifel oder Problem nicht in Panik geraten und sich auf die Suche nach einem „richtigeren“ Partner machen. Vielmehr kann der Zweifel ein Anlass sein, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen oder aber als Anstoß für Gespräche und positive Veränderungen in der Beziehung dienen.
Was wir tun können, damit die Liebe bleibt
Liebe ist, wie Hape Kerkeling es in seinem Bühnenprogramm in der Rolle als Liebescoach Evje van Dampen scherzhaft beschreibt, tatsächlich „Arbeit, Arbeit, Arbeit“. Wir müssen uns immer wieder neu auf den Partner einlassen, offen bleiben für die Wünsche und Bedürfnisse des anderen, die eigenen Erwartungen und Gefühle kommunizieren, uns Zeit nehmen für einander, für Romantik und Sexualität, aber auch für eine gemeinsame Alltagsroutine. Aus einer Beziehung können wir Kraft und Energie schöpfen; sie kann uns Sicherheit und Zufriedenheit spenden. Uns rundum glücklich zu machen, vermag sie jedoch nicht. Dafür bleibt am Ende jeder selbst verantwortlich. Kein Partner wird jemals all unsere Wünsche und Vorstellungen erfüllen können. Machen wir unser Glück daher von unserem Partner abhängig, werden wir uns von diesem schnell verlassen fühlen. Liebe braucht Luft zum Atmen. Ob durch das Verfolgen eigener Projekte, Ziele und Wünsche oder das Pflegen von Freundschaften – für eine funktionierende Beziehung ist es vor allem wichtig, zu wissen, wie man für sein eigenes Glück sorgen kann. Denn Streitigkeiten und Krisenzeiten wird es in jeder Beziehung einmal geben. Egal mit welchem Partner. Und so lebt es sich als Paar auf „Wolke 4“, wie Philipp Dittberner und Marv es in ihrem aktuellen Song besingen, vielleicht dauerhaft doch zufriedener als auf „Wolke 7“, von der wir mit unseren hohen Erwartungen nur allzu schnell herunterzufallen drohen.
Literatur
Huub Buijssen: Jetzt verstehe ich Dich. Verborgene Wünsche in Paarbeziehungen. Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2013.
Sven Hillenkamp: Das Ende der Liebe. Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit. Dtv, München 2012.
Von Yvonne Keßel
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